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Auf dem Schweizer Jakobsweg 7. Etappe 01.06.24 Brunnen-Stans 28 km

  • Autorenbild: Marko Priem
    Marko Priem
  • 1. Juni 2024
  • 3 Min. Lesezeit


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Den Blick aus dem Fenster spare ich mir, es wird weiter regnen, vielleicht nicht ganz so doll. Meine Schuhe sind noch nass aber logisch, denn die Heizung geht nicht und es ist ziemlich kalt im Zimmer. Wahrscheinlich ist die Heizung schon auf Sommer eingestellt.

Ich durfte ja gestern den Wäschetrockner für meine Wäsche nutzen, habe kurzzeitig die Schuhe mit reingestellt, die schepperten aber so laut, dass ich sie wieder rausnahm, um den Vermieter, ein älterer schwergewichtiger und vermutlich einsamer Mann nicht zu verärgern. Er ist nett, stand bei meiner Ankunft lange bei mir mit im Zimmer und erzählte und erzählte. Dabei war ich da gerade nicht zum Quatschen bereit, war durchgefroren und wollte unter die heiße Dusche, so dass ich ihn schon fast aus dem Zimmer schieben wollte. So viel weiß ich noch, er ist mindestens einmal im Jahr in München und nächtigt in einem Hotel am Stachus. Er gab mir noch Tipps, wo ich essen gehen kann und dass er nicht vegan speist. Jo, das nehme ich ihm ab. Aber er ist nett und ich bin dankbar, dass ich den Trockner nutzen durfte. Essen war ich gestern nicht mehr, habe mir nur aus dem Supermarkt Brotzeit und Proviant für den heutigen Tag besorgt. Gestern wurde ich abends noch von der Vermieterin vom Bauernhof, wo ich heute übernachte, angemailt, ob ich noch einen Pilger mit in meinem Zimmer aufnehmen könnte. Klar, ist doch kein Problem und sage ihr zu.

In die nassen Schuhe zu steigen, ist heute ein Scheißgefühl, nutzt aber nichts.

Vor dem Start ist meine Laune nicht so doll und es kommen Überlegungen, ob ich abbreche oder zumindest heute mit dem Schiff 2 Stationen weiterfahre. Das würde die Laufzeit heute um ca. 3-4 Stunden verkürzen.

Kurz vor dem Ticketschalter am Hafen muss ich mich entscheiden und ich verwerfe wieder die Gedanken. Ein weiterer Pilger kommt ebenfalls zum Hafen gelaufen und ich denke mir, das wird bestimmt mein Zimmerkollegen für die heutige Nacht sein. Als wir näher aufeinander zu gehen, rufen wir beide gleichzeitig: „Das gibt’s doch nicht!“ Es ist Erwin und tatsächlich auch mein Zimmerkollege für diese Nacht. Er hat sich einen Tag Auszeit in Brunnen genommen und im Kloster übernachtet. Wir freuen uns beide, dass wir wieder ein Stück gemeinsam gehen können. Wir fahren mit dem Schiff auf die andere Uferseite des Vierwaldstätter Sees. Ist nur ein kurzes Stück, die Fahrt dauert nur 8 Minuten. Dann müssen wir uns in Treib entscheiden, ob wir den Hauptweg nehmen. Dieser geht jedoch am steilen Hang des Sees entlang, im Pilgerführer wird für diesen Weg Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erwartet. Bei dem Regen der letzten 48 Stunden vielleicht keine gute Idee. Wir entscheiden uns für den etwas längeren aber sicheren Weg. Steil bergauf geht es trotzdem bis nach Seelisberg, entlang der Zahnradbahn, auf die Erleichterung haben wir ebenfalls verzichtet. Nach Seelisberg erreichen wir dann die höchste Stelle um knapp 1000m, es geht dann auf breitem Weg durch einen zauberhaften Märchenwald bis nach Emetten, bevor es dann wieder steil bergab entlang eines tosenden Wasserfalls nach Beckenried geht und wir somit wieder das Ufer des Vierwaldstätter Sees erreichen. Wir laufen seit längerer Zeit ohne Regen und am See ist es auch richtig mild. Zeit für eine Einkehr im Cafe haben wir trotz unseres Umwegs. Wir erfahren von der Bedienung, dass hier Semmeln Mutschli heißen, Anhand des Dialektes frage ich sie, ob sie auch Schrippen kennt. Na klar, schließlich ist Sie aus Senftenberg, einer ehemaligen Braunkohleregion, die sich jetzt zu einer Seen-Landschaft gemausert hat. Zurück in die Heimat will die Dame nicht mehr,, fühlt sich hier seit 12 Jahren in der Schweiz wohl. Sie möchte noch einiges zum Thema Pilgern von uns wissen, dann verabschieden wir uns und müssen weiter. Der Weg führt bis zum nächsten Ort Buochs am Ufer des Sees entlang, am Ende des Sees geht es dann in ein breites Tal weiter nach Stans, wo wir auf unseren Bauernhof, als unser nächstes Quartier treffen. Regen gab es keinen mehr und wenn ich aus dem Fenster schaue, sind die Berge nun frei zu sehen. So ändert sich die Laune, wenn man nicht gleich aufgibt. So ist es doch noch ein richtig schöner Tag geworden.


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